Lange Ausatmung: Eine simple und schnelle Erholungsmethode

Die eigene Atmung kann der beste Freund, aber auch der größte Feind unserer persönlichen Erholung sein. Hier erfährst du, was jeder von uns über Atmung zur Beruhigung oder Anregung des Nervensystems wissen sollte!

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Foto von Kevin Valerio

Arbeit, Familie, Hobbys, Freunde, … – unser Alltag ist gefüllt mit allerlei Verpflichtungen. Jeder befindet sich die meiste Zeit über in einem Zustand weit entfernt von Entspannung, Ruhe und Erholung.

Dabei ist es gar nicht so schwer, unseren Körper in den „Ruhemodus“ zu versetzen. Alles, was es dafür braucht, ist eine leichte Manipulation unseres Atemmusters!

Warum sollte die Ausatmung länger als die Einatmung sein?

Der Mensch atmet in etwa 22.000 Mal am Tag.1Breathing

Dabei ist die Atmung wohl gleichzeitig der einfachste, aber auch der wichtigste Vorgang in unserem Körper. Sie ist Teil unseres autonomen Nervensystems, was für alle lebensnotwendigen Vorgänge zuständig ist.

Noch ein Vorteil: Die Atmung läuft automatisch und unbewusst ab. Wenn wir über jeden Atemzug nachdenken müssten, wären wir wahrscheinlich mit nichts anderem mehr beschäftigt.

Im Gegensatz zu anderen autonomen Prozessen unseres Körpers wie etwa die Verdauung oder unseren Stoffwechsel können wir die Atmung aber zusätzlich noch willentlich und direkt beeinflussen. Die spezielle Rolle der Atmung innerhalb unseres Körpers erlaubt es uns, in Echtzeit die Grundlage für eine Beruhigung unseres Nervensystems zu legen.

Und so einfach geht es:

Lange Ausatmung

Unsere Atmung teilt sich in die Einatmung und die Ausatmung auf. Um unseren Körper in einen ruhigeren Zustand zu versetzen, müssen wir einen Fokus auf die Verlängerung der Ausatmung legen.

Warum? Ganz einfach!

Wenn wir ausatmen, besonders über den Bauch, ziehen sich unsere Lungen zusammen. Das Zwerchfell, die Muskel- und Sehnenplatte zwischen unserer Brust- und Bauchhöhle, bewegt sich dabei nach oben. Nun herrscht weniger Platz in unserem Brustraum. Das Herz verkleinert sich dabei etwas. Wegen des geringeren Volumens im Brustraum wird der Blutfluss in diesem Bereich schneller.

Neuronen im Herz registrieren den schnelleren Blutfluss und senden ein Signal an das Gehirn. Das Gehirn sendet wiederum ein Signal an das Herz zur Verlangsamung des Herzschlags.

Parasympathikus: Durch eine verlängerte Ausatmung wird unser Parasympathikus angeregt und die Funktionen „rest and digest“ (Erholen und Verdauen) ausgeführt. Der Parasympathikus ist der Teil des Nervensystems, der für die Erholung und das Aufbauen von körpereigenen Reserven zuständig ist.

Mit einem dominanten parasympathischen System verlangsamt sich unsere Atmung, Herzfrequenz und Blutdruck sinken und unser Körper wird in einen Zustand der Genesung zurückgeführt.

Perfekt also, um unsere Energiereserven kurz- und langfristig wieder aufzufüllen.

Wie du siehst, können wir unser Nervensystem und unseren Herzschlag beruhigen, indem wir nur unsere Ausatmung manipulieren bzw. verlängern. Auch unsere Einatmung hat einen direkten Einfluss auf den Zustand unseres Nervensystems!

Hier noch ein Video zur Verdeutlichung des Atemvorgangs und der Bewegung von Zwerchfell und Lungen:

Lange Einatmung

Eine lange Einatmung ist optimal dafür, um in einen Zustand der Aufmerksamkeit zu gelangen.

Und so geht es:

Während der Einatmung weiten sich unsere Lungen. Das Zwerchfell bewegt sich dabei nach unten. So herrscht mehr Platz in unserem Brustraum. Unser Herz wird etwas größer und wegen des höheren Volumens im Brustraum wird der Blutfluss langsamer.

Neuronen im Herz registrieren den langsameren Blutfluss und senden ein Signal an das Gehirn. Das Gehirn sendet darauf ein weiteres Signal an das Herz zur Beschleunigung des Herzschlags.

Bei einer höheren Gewichtung des Einatmens wird unser Sympathikus stimuliert und die Funktionen „fight or flight“ (Kampf oder Flucht) ausgeführt. Der Sympathikus ist quasi das Gegenteil des Parasympathikus uns sorgt für die Vorbereitung auf Aktionen oder Belastung.

Dieser Zustand des Nervensystems war insbesondere früher von Vorteil („Ein Löwe verfolgt mich und ich muss weglaufen“). Heutzutage ist die Wahrscheinlichkeit von einer gefährlichen Raubkatze verfolgt zu werden verhältnismäßig gering. Trotzdem geraten wir noch schnell in den „fight or flight“ Zustand, etwa wenn wir zu spät zur Arbeit kommen. Besonders hier ist es wichtig, über die Steuerung unseres eigenen Nervensystems Bescheid zu wissen und durch eine längere Ausatmung entgegenzuwirken.

Dauer der Ausatmung

Wenn wir unser Nervensystem beruhigen wollen, gibt es keine feste Anleitung zur Dauer der Ausatmung. Eine gute Richtlinie, die auch in mehreren Studien verwendet wurde, ist eine doppelt so lange Ausatmung wie Einatmung. In einer Studie von hat dieses Atemmuster sogar eine bessere Entscheidungsfähigkeit in Unternehmens-Situationen zur Folge.

Ein doppelt so langes Ausatmen wie EInatmen verbessert außerdem die Sauerstoffversorgung des Körpers. Durch die längeren Regenerationspausen können Zellschäden repariert und Energiereserven neu aufgebaut werden.2Bewusst tief atmen – im Freien

Eine gute Methode, um eine längere Ausatmung zu priorisieren und das Nervensystem stark zu beruhigen, ist die sogenannte 4-7-11 Methode. Hierbei atmest du 11 Minuten lang 4 Sekunden ein und 7 Sekunden aus.

Ist langes Ausatmen gesund?

Nun stellt sich die Frage, ob ein langes Ausatmen grundsätzlich gesund ist. Wie bei vielen Dingen kommt es auch hier auf die Situation an.

Wenn wir in einer Situation parasympathisch dominiert sind und etwas mehr Aufmerksamkeit gebrauchen könnten, bietet sich eher eine lange Einatmung an.

Da wir aber heutzutage eher die meiste Zeit, besonders im Beruf, von unserem sympathischen Nervensystem beeinflusst sind, hat eine lange Ausatmung für die meisten von uns wohl regelmäßig einen hohen Nutzen.

Apps für lange Ausatmung

Es gibt einige praktische Möglichkeiten, mit denen du dein persönliches Atemmuster einstellen kannst. Zum einen existieren viele Smartwatches, die eine Funktion zur bewussten Atmung integriert haben.

Zusätzlich dazu gibt es einige Apps, die sehr leicht anpassbar sind. Im Play Store findest du beispielsweise die App „Breathe„, bei der schon einige vorgegebene Atemmuster vorliegen. Außerdem kannst du dort noch individuell angepasste Atemmuster für dich einstellen.

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Eine Atemtechnik, die sich die physiologische Bedeutung der langen Ausatmung zunutze macht, ist der physiologische Seufzer. Schau dir gerne meinen Beitrag dazu an, um seine Durchführung und Bedeutung für Echtzeit-Erholung zu erfahren!

Quellen
https://help.welltory.com/en/articles/3973614-long-exhale-for-parasympathetic-nervous-system-activation#:~:text=Long%20Exhale%20is%20a%20slow,which%20is%20responsible%20for%20rest.
https://www.psychologytoday.com/us/blog/the-athletes-way/201905/longer-exhalations-are-easy-way-hack-your-vagus-nerve
https://www.mindbodygreen.com/articles/a-parasympathetic-breathing-exercise-to-calm-your-mind-body
https://www.tk.de/techniker/magazin/life-balance/aktiv-entspannen/tief-durchatmen-2048342?tkcm=ab
https://hubermanlab.com/dr-jack-feldman-breathing-for-mental-physical-health-and-performance/

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